Wir verlassen jetzt einmal die wunderbare Welt des Business-Plans im Sinne des DAV-Ratgebers. Weiter ginge es nämlich mit der Umsatzprognose: 1. GJ: 2.000,00, 2. GJ: 3.000,00 Euro, 3. GJ 3.500,00 Euro, 4. GJ: 5.000,00 Euro, 5. GJ 6.000,00 Euro. So kann man planen, sicherer ist es jedoch, zunächst daran zu denken, wie man satt wird und dann kurzfristig zu handeln.
Stellt sich die Frage:
Gibt es bereits in der Ausbildung etwas zu beachten, was einem später den Einstieg als Einzelanwalt erleichert?
Antwort: Natürlich!
Ich mache mal eine So/So nicht-Liste:
1. Das Studium
So: Im Studium bestehen die ersten Möglichkeiten, sich im Rahmen eines Nebenjobs oder eines unbezahlten Praktikums in den Anwaltsberuf einzufühlen. Wichtiger ist es natürlich, die Grundlagen für die juristische Arbeit zu lernen, um letztlich ein halbwegs vernünftiges Examen zu schaffen. Also sollte man die Sache auf die Semesterferien, sorry vorlesungsfreie Zeit, beschränken. Und wenn man nochmal schnell leben möchte, dann hier. Aber einer großartigen Anstrengung, anwaltlich zu werden, bedarf es hier noch nicht. Wichtig ist eine hingebungsvolle Mitarbeit im Verwaltungsrecht. Hier lernt man noch den Umgang mit einem völlig unbekannten Gesetzen, zu denen es keine durchgängige Rechtssprechung seit dem c. i. c. gibt. Etwas, was einem in der anwaltlichen Praxis regelmäßig begegnet.
So nicht: Studium ist Party pur. Und fast jeder hat in seiner Verwandtschaft oder Bekanntschaft einen Anwalt, welcher einem den erforderlichen Praktikumsnachweis auch so unterschreibt.
Aber, wie gesagt, das Studium ist nicht ausschlaggebend.
2. Das Referendariat
So: Hier ist eine massive anwaltliche Ausrichtung fällig: Von der ersten Minute an sollte man eine Kanzlei haben, welche einem einen Raum zur Verfügung stellt. Dieser ist zu vergüten durch massive Aktenabarbeitung, mindestens eine pro Tag. Vollzeit oder mehr arbeiten, vier Stunden Akte, vier Stunden Referendariat.
Schwerpunkte: Alles, was im Referendariat gerade nicht besonders gefragt ist: Sozialrecht rauf und runter, Arbeitsrecht, Verwaltungsrecht, Eilanträge in Familiensachen, Gewaltschutzgesetz, Verkehrsordnungswidrigkeiten, Verkehrsunfälle. Zumindest mein Referendariat war fast pervers auf Zivilrecht ausgerichtet, als gäbe es nichts anderes. Und dann immer die seltsamen Fälle, dass mehrere Parteien beteiligt waren, von denen dann manche säumig waren oder ähnlicher Blödsinn. In der Praxis stellt man schnell fest, dass "das andere" fast die Regel ist. Es ist ein wenig deprimierend, dass man jederzeit den Bundespräsidenten beraten könnte, der ein bestimmtes Gesetz nicht unterschreiben mag, bei einem banalen Verkehrsunfall und Begriffen wie "Quotenvorrecht", "Differenzbesteuerung" oder "Büro Grüne Karte e. V." sogar wirklich gute Referendare ins Trudeln kommen, obwohl es Alltag ist. Die Sachen dann immer wieder neu schreiben, keine fertigen Schriftsätze auf den neuen Sachverhalt anpassen, das kann man dann in der Praxis noch früh genug. Und jeder Schriftsatz, der Mist ist, wird einem hier von dem Ausbilder um die Ohren gehauen, nicht von einem Richter und - vor allem - nicht von einem Mandanten. Und das Schönste ist: Man sieht, wie ein Richter auf die eigenen Ideen reagiert. Am Allerschönsten ist dann, wenn man in einer Urteilsbegründung die eigene Anspruchsbegründung wiedererkennt. Seufz.
Wichtig auch: Mit den ReNos reden. Freundschaftlich. Und sich ehrlich für deren Arbeit interessieren. Wie führt man Mandantenkonten, wie stellt man einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheid. Vollstreckung. Diese kleinen Alltäglichkeiten. Hier lernt man auch mehr für die Praxis als beim schönsten Rep bei Hemmer. Glaube ich zumindest, habe ja nie ein Rep besucht. Vermisse ich aber auch nicht.
Die Stationswahl erfolgt in enger Anbindung an das spätere Wirkungsfeld:
Es ist gut, wenn man bei einem Richter ausgebildet wird, mit dem man auch in der Praxis zu tun haben wird. Es ist ferner sinnvoll, dass es ein erstinstanzlicher Richter ist, am besten am Amtsgericht, weil man da eh die meisten Fälle haben wird. Und nur in der ersten Instanz kann man das Handwerkszeug für Beweisanträge, Umgang mit Naturalparteien etc lernen. Beim LG ist schon zu viel Berufung, wo ja bekanntermaßen keine Beweisaufnahme mehr stattfinden sollte.
Es ist gut, wenn man schomal die Derzernatleiter und Sachbearbeiter kennt, welche später ihre Bescheide zurücknehmen oder ändern sollen. Welche einem das Bußgeld herabsetzen oder auf eine MPU verzichten sollen. Man sieht, wie Behörden "ticken." Und das ist Gold wert.
Bei der Staatsanwaltschaft ist es egal. Davon, dass man im Bienenkorb zwei oder drei Bienen kennt, bekommt man auch keinen besseren Honig.
Wahlstation: Natürlich der Stammanwalt, Vollzeit.
Nehmen Sie Urlaub, wenn Sie wirklich welchen brauchen. Ich habe mich in der Referendarzeit auf eine Woche beschränkt.
So nicht: Freizeit ist Freizeit. Mitreferendare und Ausbilder klären einen schnell auf: Die Referendarszeit ist das letzte Mal, dass man ohne Verantwortung an juristischen Dingen herumdoktorn kann. Warum also Eile?
Stationwahl: Zivilrichter: OLG. Alles ausgestanden. Keine Naturalparteien, welche einen durch irgendwelchen Vortrag vom Wesentlichen ablenken: Dem juristischen Problem. Ansonsten wenigstens LG. Immerhin sind hier die meisten Kumpels. Und Fälle unter 5.000,00 Euro können die anderen machen.
Verwaltungsrecht: Oh, da muss es schon was sein, was nach was klingt. Am besten irgendein Ministerium. Mit Auslandskontakt, leben ja in Europa. Warum eigentlich Deutschland? Andere Länder haben auch schöne Mädchen ... Aber schon darauf achten, dass man die Landessprache nicht spricht. Prima Thema für den Referendarstammtisch.
Und in der Wahlstation was richtig Außergewöhnliches: Patentamt in Nowosibirsk oder die Ausländerbehörde in Teheran? Sowas macht sich nicht nur im Lebenslauf, sondern auch am Stammtisch. Und wenn sowas nicht, dann halt Tauchstation. Da war doch noch der Anwalt in der Bekanntschaft. Der schreibt einem für die letzten Monate auch so ein Zeugnis.
So, ich denke, das reicht als Orientierung.
Mittwoch, 8. August 2007
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14 Kommentare:
*lach* nett geschrieben. bissl lang vielleicht, aber kürzer ging es in diesem fall auch nicht. falls ich mich also jemals entscheiden sollte, einzelanwältin zu werden, weiß ich, wo ich die anleitung dazu finde :O)
Wahre Worte! Wobei ich gerne zugebe, dass ich im Referendariat mich auch überwiegend vor dem Anwalt gedrückt habe und mir stattdessen zweimal drei Monate Spaß gönnte, also Speyer und Brüssel. Die Zeiten möchte ich nicht missen. Dafür waren dann die ersten Monate - als angestellter Anwalt zum Glück - hart. Ich musste mir vieles, eigentlich alles, selbst beibringen. Aber wer weiß schon im Studium oder Referendariat, dass es unbedingt Anwalt werden soll?
Hallo,
nettes Tipps, ich werde es in einigen Jahre beherzigen, wenn auch ich ob des Verwaltungsrechts etwas zurückschrecke!
Weiter so mit dem Blog
Matthias
Häufig läuft es ja auf den Anwalt hinaus. Schön sind auch immer die Referendarskollegen, welche sich in die großen Kanzleien gezogen fühlen und dann dem Fachanwalt für Baurecht, Leistungsphasen 5 und 6, begeordnet werden. Die bekommen dann auch ein ganz schräges Bild von der anwaltlichen Wirklichkeit.
Die Anwaltsempfehlung würde ich eh konkretisieren: Keine Großbude (und wahrscheinlich auch keine Mittelbude)!
Ich war als Referendar in der Großbude. Da habe ich viel gelernt, aber nichts, was man als Einzelanwalt ohne Rechtsanwaltsgehilfe/in brauchen könnte. Kosten? Wird eh meist nach Stunden abgrechnet, multiplizieren kann man ja schon aus der Grundschule. KFB in einem Prozessmandat beantragen oder gar eine (damals noch) BRAGO-Abrechnung. Dafür haben wir doch eine eigene Rechtspflegerin mit zwei Rechtsanwaltsgehilfinnen im Schlepptau, die macht es und kann es auch viel besser. Zwangsvollstreckung? Macht der Bürovorsteher: Ist auch Rechtspfleger und versteht davon viel mehr! Etc. pp.
Dafür kann man aber lernen, wie ein Börsenemissionsprospekt aussehen muss oder welche Fehler ein DAX-Konzern bei der Übernahme eines großen Mittelständlers besser nicht gemacht hätte. Würde als Einzelanwalt aber wahrscheinlich wenig praktische Anwendung finden.
In dem Beitrag steht viel Wahres drin, auch wenn ich es vermutlich nicht ganz so verbissen sehen würde (bzw. auch gesehen habe). Richtig und wichtig finde ich den Tipp, schon frühzeitig beim Anwalt zu arbeiten. Mindestens einen Tag in der Woche sollte man dafür auch im Studium Zeit finden.
Ich würde allerdings heute jedem Studenten zur frühzeitigen Spezialisierung raten. Sich heute noch als "Wald- und Wiesen-Anwalt" selbständig zu machen, halte ich für gewagt. Weitaus sinnvoller und auch finanziell lukrativer ist es imho, als Experte für ein gewisses Gebiet in den Markt zu gehen, möglichst noch mit Fachanwaltstitel. Hier sollte man sich frühzeitig mal nach einem Gebiet, das für einen selbst spannend ist, umsehen.
Aber Großbude in der Wahlstage ist ok? *fleh*
Kommt darauf an, was Sie wollen. Wenn Sie sich spezialisieren wollen, gibt es nichts besseres. Für meinen Fall (mein geplantes/revidiertes Geschäftskonzept kommt später) wäre es tötlich. Etwa 98 % der Sache, die ich mache, kommen in Großbuden wahrscheinlich gar nicht vor. Aber ich war nie in einer. Wenn mir jemand mal ein Praktikum anbieten würde, könnte ich da mehr Erfahrungen sammeln. Freitag nachmittag und den ganzen Samstag wäre schön.
Die Wahlstage dauert ja nur noch drei Monate. Bis dahin könnte man in der 10-monatigen RA-Station schon was gelernt haben.
dass so viele referendare am LG rumhaengen liegt weniger daran, dass sie <5000€ faelle uncool finden (so spannend ist der LKW-mietvertrag ueber 7500€ naemlich auch nicht), sondern an den mangelnden ausbildungsplaetzen an den AGs.
ich habe beim kammergericht ausdruecklich den wunsch geaeussert, ans AG zu kommen und darauf weder eine antwort noch eine enstprechende zuweisung bekommen. stattdessen grundbuchabteilung beim LG, na bestens.
Ich war auch beim Landgericht, allerdings in einer erstinstanzlichen Kammer. War vielleicht nicht ganz so examensnützlich wie das AG, man hätte es aber schlimmer treffen können (Berufungskammer, Grundbuchsachen etc.).
Netter Beitrag, und sicherlich viel wahres dran. Allerdings Kritik zum Studium:
Je nach Bundesland bringen die Praxiswochen garnichts.
Wenn man sie innerhalb der ersten 4 Semester ableistet, kann man außer Kaffeekochen, Kopieren und Gürteltier-schleppen nichts wirklich produktives beitragen.
Danach hat man evtl. sogar Ahnung, aber die Zeit fehlt wegen großen Scheinen, Selbststudium und Geldverdienen fürs anstehende Rep.
Schenken Sie sich das Rep (und die Arbeit hierfür.)
Natürlich sollte es stets oberstes Ziel sein, die Ausbildung mit guten Examina abzuschließen.
Die Darstellung liest sich jedoch so, als dürfe man weder im Studium noch im Referendariat Freizeitaktivitäten entfalten.
So genannte Soft Skills erlernt man jedoch nicht in seiner Ausbildung! Daher sollte das Studium und auch das Referendariat nicht zu verbissen gesehen werden. Freizeit (Entwicklung und Aufrechterhaltung von sozialen Kompetenzen) und Ausbildung lassen sich sehr gut miteinander kombinieren. Jedenfalls ist es mir geglückt! Unsinn ist, nur eingeschränkten oder gar keinen Urlaub zu nehmen. Man muss auch einmal abschalten können, sonst endet man unweigerlich als Fachidiot, was wohl in keinem Interesse liegen dürfte. Auslandserfahrungen im Laufe des Studiums und des Referendariats sind - egal ob später Einzelkämpfer oder Großbude - von großer Bedeutung, nicht nur für die berufliche, sondern auch für die persönlich Entwicklung!
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